Goethii Iphigenia Graece.

[Ins Griechische übersetzt von Theodor Kock]
Berlin 1861. – XVI + 143 S. / gr.

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Letzte Bearbeitung: 21.8.2010
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Einführung

Kocks Übersetzung der »Iphigenie« Goethes ist während seiner Zeit als Direktor des Gymnasiums von Stolp (1857-1863) entstanden. In dem an Stelle eines allgemeinen Vorwortes der Übersetzung vorangestellten Widmungsschreiben an seinen ehemaligen Lehrer und Kollegen am Posener Gymnasium J. Friedrich Martin (1791-1870) [1] weist Kock auf die günstige berufliche Situation und die glücklichen Lebensumstände in Stolp hin, die ihm erst die Anfertigung der Übersetzung möglich gemacht hätten (V f). Eine Vorarbeit hatte er bereits im Frühjahr 1858 in der ersten Programmschrift des neugegründeten Stolper Gymnasium veröffentlicht, im Rahmen eines offenen Briefes, der sich ebenfalls an Martin richtet und der dem Posener Lehrer Julius August Schönborn (1801-1857) [2] gedenkt. Es sind dies 424 Verszeilen, die sechs unzusammenhängende »Probestücke« umfassen.[3] Stark überarbeitet und unter Berücksichtigung von Verbesserungsvorschlägen Martins sind diese in die spätere Gesamtübersetzung eingegangen, an der auch der Gräzist und Direktor des Grauen Klosters in Berlin Johann Friedrich Bellermann (1795-1874) [4] als Korrektor und Berater mitwirkte.[5] Im Sommer 1860 dürften die Arbeiten an der Übersetzung abgeschlossen gewesen sein (XVI).

Kock weiß, dass seine Übersetzung keine öffentliche Beachtung finden wird: In einer Zeit, in der man die eigenen Dichter bestenfalls oberflächlich liest und die Beschäftigung mit dem Altertum als eine nutz- und freudlose Angelegenheit erachtet wird, ist der Sinn einer solchen Arbeit kaum zu vermitteln (VI f). Nur noch in England (Oxford, Cambridge, Bristol) genießt die Nachahmung antiker Dichter öffentliches Ansehen, und das trotz der Fortschrittlichkeit dieses Landes (VII f). In Deutschland dagegen finden sich nur einzelne, die es wagen, eine alte Sprache zu sprechen, und die man deshalb als lebensfremd verspottet (VIII f). Um jedem Argwohn zuvorzukommen, betont Kock mit allem Nachdruck, dass er mit seinem so sinnlos erscheidenden Unterfangen keineswegs die Pflichten seines Lehreramtes verletzt habe (IX ff). Die Übersetzung sei vielmehr den eigenen Neigungen folgend ausschließlich in seiner Freizeit entstanden: „ego quidem otio meo ita utor, ut mea fert natura et indoles” (X). Er habe die Übersetzung aber veröffentlicht, nicht nur in der Hoffnung, damit ein Lesevergnügen zu bereiten, sondern auch um exemplarisch einen Text vorzulegen, der die direkte Vergleichung des Griechischen mit dem Deutschen und der »Iphigenie« Goethes mit den beiden des Euripides ermöglicht (XI). Und in der Tat legt die der Übersetzung beigegebene »Adnotatio« beredtes Zeugnis davon ab, wie sehr sich Kock um eine der attischen Tragödie entsprechende Ausdrucksweise bemühte. Aus der Übersetzung möge man, so Kock weiter (XI ff), auch ersehen, dass das Altgriechische noch nicht ganz verstummt ist. Die alten Sprachen sind nicht wirklich tot. Sie leben weiter in den schriftlichen Denkmälern der größten Geister, als eine immer wieder lebendig werdende, Geist und Kultur erweckende und erneuernde Kraft, und weil sie in unser Leben und unsere Sprachen eingegangen sind. Nur insofern die alten Sprachen im Alltag nicht mehr gebraucht werden und sie sich nicht mehr verändern, können sie auch tote genannt werden.

[1] Martin war von 1825-1865 Lehrer am Posener Gymnasium; vgl. Friedrich August Eckstein: Nomenclator Philologorum (1871). Vollständiger, korrigierter Text, bearb. v. Johannes Saltzwedel, Online-Publikation: http://www.venturus.de/eckstein.pdf (1.7.2007), Hamburg 2005, S. 301.

[2] Schönborn war von 1837 bis zu seinem Tode 1857 Gymnasiallehrer in Posen; vgl. ebd., S. 431.

[3] Siehe: Programm des Gymnasiums zu Stolp für das Schuljahr 1857-58, womit zu der öffentlichen Prüfung der Schüler, Montag und Dienstag, den 29. und 30. März, die städtischen Behörden, die Eltern der Schüler und alle Freunde des Schulwesens im Namen des Lehrer-Collegiums ergebenst einladet Dr. Theod. Kock, Stolp 1858, S. 15-27.

[4] Vgl. H. Bellermann, Art. Johann Friedrich Bellermann, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hrsg. durch die historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften, Bd. 2, Leipzig 1875, S. 310 f.

[5] „magnam etiam Bellermanno Berolinensi gratiam debeo, qui non solum mendis typographicis hunc librum purgavit, sed etiam consilio me prudentissimo saepe adiuvit.” (S. 95)